Australien Roadtrip – Outback, ein dehnbarer Begriff

Dieses Gefühl, so vertraut, als wäre es gestern gewesen. Als ich diesen Vortrag einer deutschen Familie besuchte, die begeistert von ihrer Reise durch Australien berichtete. Wie es bei jedem ihrer gezeigten Dias (ja, lange ist’s her) auf der Haut leicht kribbelte und die Sehnsucht nach dem roten Kontinent zunehmend größer wurde. Seither träumte ich davon – genau wie sie es taten – diesen weiten Weg durch das Outback aufzunehmen, um im Zentrum Australiens, irgendwo im roten Nirgendwo, den weltbekannten Monolith in seiner vollen Gestalt auf mich wirken zu lassen. Ein Land, über das ich viel zu wissen glaubte, dessen Ausmaße mir derart keineswegs bewusst waren.

Mit jedem weiteren Roadtrip auf den Straßen Australiens verändert sich die Sichtweise auf Entfernungen. Distanz liegen im Empfinden des Betrachters. Das, was wir normalerweise gewohnt sind.

Für uns gelten  Entfernungen bis zu 700km (pro Wegstrecke) in die Heimat seit Jahren als „normal“. Daher würden wir uns für europäische Verhältnisse als Vielfahrer bezeichnen. Australien hat uns in den letzten Monaten eines besseren belehrt. Hier werden wir mit Kilometerangaben nicht in Hunderten, sondern Tausendern konfrontiert.

Die Entfernung ist das eine. Abgeschiedenheit ist etwas völlig anderes.

Wer nicht selber durch Australien Land gereist ist, hat keinen blassen Schimmer, was abgelegene Regionen bedeuten. Oder wie es sich anfühlt, einen Kontinent zu durchqueren, dessen Bevölkerungszahl 25.263.242 (Stand 13. September 2019, Quelle: https://www.worldometers.info/world-population/australia-population/) auf einer Fläche von 7.682.300 Quadratkilometern beträgt. Im Schnitt sind das 3 Menschen pro Quadratkilometer. Wobei diese Zahl die Verteilung nicht widerspiegelt. Schließlich ist die Hälfte der Gesamtbevölkerung in den Städten Melbourne, Sydney, Perth und Adelaide zu Hause, d.h. im Umkehrschluss fällt die Bevölkerungsdichte im Landesinneren deutlich geringer aus.

Ohne es überhaupt auf die genaue Zahl herunter zu brechen, eins ist sicher: Wir sprechen hier von einem Landesinneren, geprägt von unbefestigten 4WD-Tracks, die zu den isoliertesten Routen der Welt zählen. Eine Fläche, dessen Ausmaße es möglich macht, drei Zeitzonen zu durchqueren und einen drastischen Klimawechsel zu erfahren, ohne überhaupt das Land verlassen zu müssen.

Handyempfang? Existiert hier nicht.

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Unsere Roadtrip Route durch staubiges Terrain

Kamele in Australien?

Letzter Stopp in Norseman. Ersichtliche Warnschilder deuten auf die streng limitierte Wasserversorgung innerhalb der Nullarbor Ebene hin. Das Auffüllen aller verfügbaren Ressourcen wird dringlichst empfohlen, bevor die Reise in die extrem abgelegene Region Australiens startet. Hier kommt der Maßstab des roten Kontinents besonders gut zur Geltung. Dafür reicht ein Blick auf das Schild am Straßenrand, das die Kilometerangabe für die nächst größere Stadt angibt. Adelaide in 1988km(!) Dazwischen nichts außer einer Handvoll Roadhäuser.

Die Farben verblassen allmählich. Der Highway teilt sich in kerzengerade Streckenabschnitte durch das weitläufige, flache Terrain. So flach und weitläufig, dass sich am Horizont die Erdkrümmung erahnen lässt. Nichts weiter als Büsche und karge, endlos erscheinende Ebenen zieren das Landschaftsbild der Nullarbor Wüste. Gelegentlich passiert ein überdimensionaler Mega-Truck, der hinter seiner Zugmaschine weiteres 50m langes Geschütz aus drei oder mehr Sattelaufliegern hinter sich her zieht und uns mit seiner Wucht deutlich spürbar in – sowohl als auch drei Atemzüge später wieder aus – den Windschatten zieht. Sogenannte Road Trains.

Mit hochgezogenen Augenbrauen werfen wir uns verstörte Blicke zu: War das eben ein Kamelkadaver am Straßenrand? Kamele in Australien? Dafür gibt es sogar eine plausible Erklärung. Denn zu Zeiten des Goldrausches war das Kamel von großem Nutzen. Gegenüber Esel oder Pferden galt es als deutlich widerstandsfähiger, da es mit wenig Wasser auskam und den hohen Temperaturen des dürren Kontinents standhielt. Daher wurden sie damals von den Goldgräbern aus dem Orient eingeführt, als ideale Träger und Begleiter auf dem langen Weg durch die Wüste, um ihren Treibern zum Glück auf der Suche nach Gold zu verhelfen. Seither zieren auch Kamele das Landschaftsbild, vorrangig im Süden und Nordwesten.

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Australiens längste Strecke geradeaus: 146,6km ohne eine einzige Kurve
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Bunda Cliffs am Eyre Hwy in der Nullarbor Ebene

Great Ocean Road und Koalas

Zwei Zeitzonen später befinden wir uns zurück in Teilen einer Zivilisation. Jetlag und Grenzkontrolle ohne überhaupt das Land verlassen zu haben? Ja, Australien macht’s möglich. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Von ehemaligen Kamelpfaden zur Zeit des Goldrausches über steil abfallende Bunda Cliffs, die die eindrucksvolle Südküste Australiens bilden. Und dann diese Eukalyptuswälder. Entlang der legendären Great Ocean Road brennen sich nicht nur eindrucksvolle Bilder in den Kopf, auch der herrliche Duft von Eukalyptus bleibt unweigerlich in der Nase kleben. Diese Luft, die an Hustenbonbons und Mentholbalsam erinnert, berührt die Sinne und bietet wichtigen und den einzigen natürlichen Lebensraum für die flauschigsten Ureinwohner Australiens: Koalas.

Sie leben weder in Regenwäldern, noch in der Steppe, sondern ausschließlich hier an der Südostküste, in Teilen der Ostküste und auf vorgelagerten Inseln. Und weil langes Schlafen zu ihrem  beliebtesten Hobby zählt, hängen sie stundenlang regungslos in schwindelerregender Höhe ab. Mit bloßem Auge entdeckt man sie meist nur dann, wenn man weiß, wo man suchen muss.

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Kenneth River, ein besonders beliebter Ort, an dem die Chancen gar nicht mal so schlecht stehen, einen Koala in freier Wildbahn anzutreffen

Heimatgefühle in Hahndorf

Heimatmusik. Blauweiße Tischdecken. Der beißende Geruch nach Bratfett und Sauerkraut. Servicekräfte in Lederhose und (leider) schlecht sitzendem Dirndl. Sogar die deutsche Unfreundlichkeit der Bedienung kommt bei uns beinahe stilecht rüber. Alle sind guad drauf und stoßen mit Import-Bieren in Maßkrügen an, die sich im Kreise der heimischen Biertrinkerszene nie durchgesetzt hätten. Oans, zwoa, drei, g´suffa! Wir fühlen uns direkt heimisch.

Die Souvenirshops glänzen im Überangebot an polierten Kuhglocken am Kunstlederriemen, Nussknackern in allen Größen, schweren Bierkrügen, unübersehbare Standuhren, und und und. Im Hintergrund die Volksmusik im stetigen Vorwärtstakt. Zwischendrin der Kuckuck zur vollen Stunde. Und Daniel mittendrin, mit leuchtenden Augen – das Buch vom Struwwelpeter in den Händen haltend. Von Birkenstock bis hin zur Salatkrönung von Knorr. Originalgetreu und nach deutscher Etikette. Ich betone es gerne noch einmal: Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr raus.

Auf der Zielgeraden ins rote Zentrum

Die Strecke von Adelaide nach Darwin misst um die 3000km. Auf direktem Weg. Diesmal ohne Zeitzonen – dafür jedoch drastischem Klimawechsel. Nach dem wir das Ortsschild von Port Augusta hinter uns lassen – das Drehkreuz der reisenden Meute (Hier trifft man sich, egal ob auf dem Weg von West nach Ost, vom Süden in den Norden oder umgekehrt.) wird uns sichtlich bewusst, das ist sie: Die Zielgerade ins rote Zentrum. Und schon wieder, dieses Kribbeln auf der Haut.

Obwohl wir vielen Reisenden auf dem Stuart Highway, einem einspurigen Highway als einzig befestigte Straße durch das rote Zentrum, begegnen und grüßen (ja, auf Australiens Straßen wird sich gegrüßt), sind essenzielle Ressourcen wie Sprit, Wasser und Supermärkte streng limitiert. Distanzen über hunderte von Kilometern entfernte Tankstellen sind – wie so oft – nicht ungewöhnlich. Dazwischen schweifen die Blicke über das weite Nichts. Gelegentlich zweigen Wege vom Highway ab, die meilenweit über holprige Schotterpisten in abgelegene Regionen führen. Ortschaften, die ausschließlich aus einer einzigen Rinderfarm – einer sogenannten Cattle Station – bestehen und die die Bezeichnung Ortschaft erst gar nicht verdient hätten.

Eine der wenigen Ausnahmen stellt Coober Pedy dar, Mit seinen 1700 Einwohnern ist die Bezeichnung als Outback „Kleinstädtchen“ immerhin berechtigt. Etwa mittig zwischen Adelaide (840km) und Alice Springs (690km) gelegen. Dort, wo sich das Leben unter Tage abspielt, um sich der brütenden Hitze zu entziehen. In Coober Pedy hat sich sozusagen eine äußerst spezifische Wohnkultur entwickelt, die sich im Wesentlichen und im Laufe der Zeit durch die vielen Opalminen ergeben hat. In Berg gesprengte „Wohnhöhlen“, unterirdische Cafés, Underground Hotels, sogar Underground Camping sind hier Gang und gäbe. Der entscheidende Vorteil: Diese Räumlichkeiten bieten bei extremen Bedingungen eine angenehme und gleichbleibende Temperatur ohne die Klimaanlage im Sommer in Dauerschleife und auf Hochtouren laufen zu lassen. Für uns ist es und bleibt es einer der außergewöhnlichsten Orte, mit einem ganz sonderbaren Charme.

Lagerfeuer Idylle

Wir blicken in den tiefdunklen, aber sternenklaren Himmel, in dem sich die Milchstraße deutlich abzeichnet, nehmen einen Schluck Vino und lauschen dem Knacken des Feuers. Nur du und ich. Und Abermillionen von funkelnden Sternen. Dankbar für dieses Gefühl von Freiheit und diese Stille. Es ist so still, als würde selbst die Zeit still stehen. Wir sind einfach hier und jetzt. Die Augen nach oben gerichtet.

Plötzlich rauschen die letzten Jahre an mir vorüber wie ein Film bei gedrückter Rückspultaste und hinterlassen ein eigenartiges Gefühlschaos. Schwer in Worte zu fassen. Eine Art Reflexionsebene, die mir und meinem Leben einen Spiegel in die Hand drückt. Der gedankliche Schritt in das Vergangene. Vom ersten Moment an, als ich diese Dias und Stories aus erster Hand – live und in Persona – gezeigt und erzählt bekommen habe. Von Reisenden, die das australische Outback durchquert haben. Es waren Stories vom anderen Ende der Welt, die sich unfassbar weit entfernt angefühlt haben. Bilder, die Landschaften zeigten, die sich fremd angefühlt haben. Ein Terrain so karg und weitläufig.

Genau dort, wo wir jetzt stehen.

So oft habe ich mir vorgestellt, wie es sich wohl anfühlt mehrere tausend Kilometer durch das weite Nichts des Outbacks zurückzulegen und unter sternenklarem Himmel einzuschlafen. Ob ich den gleichen Mond auf der anderen Seite der Welt sehen würde? Und was es heißt, so weit weg von zuhause zu sein. Erst 13 Jahre und viele Umwege später bekomme ich all diese Antworten auf meine Fragen.

Mir bleibt nichts anderes zu sagen als „das Warten hat sich verdammt nochmal gelohnt“!

Für die einen mag er in der Tat lediglich ein Stein mitten im Nirgendwo zu sein. Für mich ist der Uluru der Inbegriff für eine entsetzliche Weite. Für pures Abenteuer. Für viele Umwege. Für Durchhaltevermögen und Faszination für Land, Mensch und Kultur. Er steht für etwas, für das ich über ein Jahrzehnt warten musste. Und dafür, dass Träume wahr werden können, wenn man an ihnen festhält.

Morgen ist es also so weit. Herzklopfen. Gänsehaut. Kurz innehalten.

Mit diesen Gedanken schließe ich für heute ab und nehme noch einen Schluck Vino ohne den Blick nach unten zu richten, um keine Sternschnuppe zu verpassen.

Dabei bin ich doch schon wunschlos glücklich.

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Gemütliche Abende am Lagerfeuer. Gegrillte Marshmallows, eine Flasche guten Wein und großartige Gespräche – unsere Definition von Glück

– Fortsetzung folgt –

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. desolat sagt:

    Wunderbarer Text! Ich bin auf die Fortsetzung gespannt…

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    1. herzsafari sagt:

      Vielen lieben Dank dir! Freuen uns sehr über dein positives Feedback.
      Liebe Grüße, Conny und Daniel

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